Beethovens Klaviersonate op.2 Nr.3, "Die doppelte Sonate"

Eine geschichtliche und formale Untersuchung

von Erik Reischl

Anmerkung: Der folgende Text ist eine 1993 erstellte Hausarbeit für das Fach "Formenlehre" in der Musikhochschule Würzburg. Es wurde gescannt und nach einer Texterkennung überarbeitet. Etwaige Fehler sind also auf ungenügende Qualität zurückzuführen. Die Notenbeispiele sind ebenfalls von der Originalvorlage gescannt und entsprechend schlecht in der Qualität. Ich bitte um Verständnis, daß aus rechtlichen Gründen hier keine Hörbeispiele einfließen können.

Sämtliche Rechte an diesem Dokument verbleiben beim Autor, Erik Reischl.


INHALTSVERZEICHNIS:

I. Einleitung und Definition des Themas

II. Die Entwicklung der Sonate bis 1800

a) Geschichtlicher Abriß der Entstehung

b) Die Lehrbuch-"Sonatenhauptsatzform"

c) Beispiel: Beethovens Klaviersonate f-moll op.2 Nr.1

III. Zur Entstehung von Beethovens Klaviersonaten op.2

IV. Analyse des Kopfsatzes der Sonate C-dur op.2 Nr.3

V. Analytiker, Kritiker und Pianisten - ein Interpretationsvergleich

VI. Literaturverzeichnis

VII. Verzeichnis der untersuchten Einspielungen


I. Einleitung und Definition des Themas

Seit nunmehr fast sechs Jahren beschäftige ich mich im Zuge meiner pianistischen Ausbildung mit der Klaviersonate C-dur op.2 Nr.3 von Beethoven. Sie gehört somit zu den mir vertrautesten Werken auf dem Klavier. Im Laufe meiner Studien fiel mir zwangsläufig die Eigenwilligkeit dieser Sonate auf, vor allem im Bezug auf die Form (um die es in dieser Arbeit hauptsächlich gehen soll) und die Zeit, in der sie entstand.

Mit Recht kann man natürlich behaupten, es seien so gut wie alle Sonaten Beethovens im Hinblick auf Form und Inhalt etwas Außergewöhnliches. Ich möchte deshalb diese Sonate nicht als etwas "Einzigartiges" aposthrophieren und damit den anderen Sonatenwerken (auch Violinsonaten, Konzerten, Ka·mermusikwerken und Symphonien) eine Gemeinsamkeit andichten, die sie in Wirklichkeit nicht haben.

Es sollen also im Folgenden die typischen Eigenschaften dieser Sonate herausgearbeitet werden, vor allem im Hinblick auf ihre Form, und hier wiederum gehe ich aus umfangstechnischen Gründen insbesondere auf den Kopfsatz, Allegro con brio, ein.

In der Überschrift habe ich dieser Sonate den etwas seltsam erscheinenden Titel "doppelte Sonate" gegeben. Dieser Name ist insofern zu verstehen, als daß ich in diesem Werk formal und klanglich eigentlich zwei Werke in einem sehe. Ich werde darauf im IV. Kapitel eingehen.

Eine Analyse eines musikalischen Werkes kann nur unter Berücksichtigung der Zeit vor und während seiner Entstehung vorgenommen werden, in manchen Fällen muß auch auf die Geschehnisse danach eingegangen werden, um ersten zu verstehen, welche Rolle das Stück für die Weiterentwicklung des Komponisten hat, und um zweitens den Einfluß des Stückes auf die Nachwelt zu beschreiben. Da jedoch der Einfluß der Beethovenschen Klaviersonaten auf die Romantiker und heutigen Komponisten (und Interpreten) bereits zur Genüge aufgezeigt worden ist, soll dieser Aspekt in der vorliegenden Arbeit beiseite gelassen weden - er ergibt sich ohnehin mehr oder weniger während der Analyse der Sonate.

In dem nun folgenden Kapitel wird also die Entstehung der Sonate bis 1800 behandelt, d.h. bis etwa zur Entstehungszeit der Klaviersonaten op.2 von Ludwig van Beethoven. Dort wird auch die "Sonatenhauptsatzform" vorgestellt, wie sie in den heutigen Lehrbüchern geschrieben steht (in der musikalischen Wirklichkeit aber nur äußerst selten zu finden ist!). Als Beispiel dient anschließend die erste Sonate aus demselben Opus, f-moll, die später auch zu Vergleichszwecken herangezogen wird.

In Kapitel III stelle ich kurz das Leben Beethovens bis 1796 dar, also genau bis zur Veröffentlichung seiner Klaviersonaten op.2 in Wien.

Die (hauptsächlich formale und harmonische) Analyse folgt in Kapitel IV mit Querverweisen auf das Kapitel IIb und die Sonate f-moll op.2 Nr.1.

Den Abschluß dieser Arbeit bildet ein Blick in einige Interpretationen heutiger Pianisten und Kritiker, wobei die formale Gestaltung hier im Vordergrund steht. Dabei werde ich diese Auffassungen aufgrund der in den vorhergehenden Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse kommentieren.

II. Die Entwicklung der Sonate bis 1800

a) Geschichtlicher Abriß der Entstehung

Wenn man die musikalische Literatur über die Jahrhunderte zurückverfolgt, so fällt auf, daß unter dem heute so genau festgelegten Begriff "Sonate" vielfältige Werke in bezug auf Form und Besetzung gefunden werden können. Daraus folgt, daß man von einer "Entstehung" der Sonate in diesem Sinne schwerlich sprechen kann.

Zunächst einmal leitet sich der Begriff "sonata" (die italienische Bezeichnung für "Sonate") von dem Verb "sonare" ab, was soviel bedeutet wie "klingen". Das Wort "sonare" kann aber auch als "spielen" im Gegensatz zu "singen" ("cantare") verstanden werden1),2).

In diesem Sinne wurde demnach das Wort Mitte des 16. Jahrhunderts als Überschrift für reine Instrumentalstücke gebraucht3), so z.B. von Giovanni Gabrieli (1555-1612) in den erst 1615 erschienen "Canzoni et Sonate .. per sonar ogni de instr."4). Man beachte hier die Gleichsetzung der Begriffe "Canzona" und "Sonata". Sie findet ihren Niederschlag auch in der "canzon da sonar", ein auf dem Instrument gespieltes Lied, etwa eine Lautentabulatur.

Der Titel "canzon da sonar" findet sich erstmals in Orgelwerken von Girolamo Cavazzoni aus dem Jahre 1542, in denen eine Liedvorlage bearbeitet wird5). Die Überschrift "Sonata" gebrauchte dann als erster Andrea Gabrieli (1510-1586) im Jahre 1568 für Instrumentalbearbeitungen von Liedern6).

Die "Sonaten" waren also in den Anfängen des Begriffes - genau gesagt - "Kanzonen für Orchester"7), bzw. "Stücke ..., die von mehr oder weniger zahlreichen Saiten- oder Blasinstrumenten ausgeführt wurden."8)

Anfang des 17. Jahrhunderts haben wir es dann mit zwei Entwicklungen zu tun. Zum einen wurde die Suite langsam immer beliebter9). Der Folge von Tanzsätzen, die zu dieser Zeit noch beliebig war10), wurde ein Einleitungsstück vorangestellt, Prélude oder Sinfonia, in Frankreich bildete Jean-Baptiste Lully (1633- 1687) die "Französische Ouvertüre" als Vorspiel zur Orchestersuite11). Auch der Ausdruck "Sonata" bezieht sich in dieser Funktion auf die Einleitung zur einer Suite oder Partita (die faktisch dasselbe ist)12).

Aus der Suite entwickelte sich dann die sog. Kammersonate, "Sonata da camera", eben bestehend aus einem Vorspiel und mehren Tanzsätzen13),14). Richtungsweisend war hierbei der italienische Geiger Arcangelo Corelli (1653-1713), mit seiner Veröffentlichung von 12 Sonaten für 2 Violinen und basso continuo (Triosonaten op.1) im Jahre 168115).

Zum zweiten wurde aber die Kanzone in ihren Gegensätzen weiterentwickelt und zur Kirchensonate ("Sonata da quiesa") erweitert. Diese Kirchensonate bildete Ende des 17. Jahrhunderts den Gegenpol zur Kammersonate16). Die oben erwähnten Triosonaten Corellis sind bezeichnenderweise abwechselnd Kirchen- und Kammersonaten17). Unter diesem Aspekt sehe ich persönlich es auch als vollkommen legitim an, die Partiten BWV 1002, 1004 und 1006 für Violine Solo von Johann Seba stian Bach (1685-1750) als "Kammersonaten" zu bezeichnen, da die drei anderen Werke dieser Sammlung ("Sonaten") eindeutig dem Typus der Kirchensonate zuzuordnen sind.

Diese ist nun folgendermaßen aufgebaut:

Einer langsamen, oft "schweren" Einleitung folgt ein schneller und fugierter Satz. Den dritten Teil bildet ein wiederum langsames Stück (meist im Dreiertakt), worauf ein schneller (fugierter, bisweilen tanzartiger) Satz das Werk beendet18),19)

Als Beispiel hier die Satzbezeichnungen der Solosonaten von Bach: Sonata 1 in g-moll: Adagio, Fuga.Allegro, Siciliano, Presto; Sonata II in a-moll: Grave, Fuga, Andante, Allegro; Sonata III: Adagio, Fuga.Alla breve, Largo, Allegro assai.

Im Jahre 1720, in dem diese Sonaten Bachs entstanden, war die Vermischung der beiden Sonaten-Typen bereits in vollem Gange20), was auch der Quasi-Tanz "Siciliano" aus der o.a. g-moll-Sonate zeigt.

Was die Instrumentation der barocken Sonate vor 1700 betrifft, so ist - wohl aufgrund der außerordentlichen Brillianz und melodischen Schönheit der Sonaten Corellis, Heinrich Bibers (1644-1704) ("Mysteriensonaten , um 167421)) und an derer Virtuosen dieser Zeit - die Violine das bevorzugte Instrument für die Sonate22). Auch andere Melodieinstrumente waren üblich, während Cembalo und Gelb meist den Basso Continuo bildeten23).

1692 (Prod'homme spricht von 1695??24)) veröffentlichte Johann Kuhnau (1660-1722) zusammen mit einer Sammlung Suiten auch eine Sonate für Klavier, welche somit die erste Solo-Klaviersonate darstellt. Er muß sich dafür förmlich recht fertigen: "... warum sollte man auf dem Clavier nicht eben, wie auf anderen Instrumenten, dergleichen tractieren können? da doch kein einziges Instrument dem Clavier die Praecedenz an Vollkommenheit jemals disputierlich gemacht hat."25)

Aufgrund des wohl großen Erfolgs dieser Sonate in B-dur veröffentlichte er wenige Jahre später sieben weitere Klaviersonaten und bahnte somit den Weg für die Klaviersonate der Frühklassik und der späteren Zeit (Es muß übrigens betont werden, daß Kuhnaus Sonaten selbstverständlich für Cembalo oder ähnliche Instrumente bestimmt war, denn die Hammermechanik wurde erst 1709 erfunden26). Von "Klavier" spricht er, da es zu dieser Zeit üblich war, den Begriff auf alle Tasteninstrumente oder Tonsysteme zu beziehen27).

Damit kommen wir nun zu dem Italiener Domenico Scarlatti, 1685 geboren (also Zeitgenosse Bachs) und 1757 in Madrid gestorben. Er komponierte seit dem Jahre 1738 (oder 1729) über 500 "Essercizi per Gravicembalo", offensichtlich Übungsstücke für die Königin Maria Barbara von Spanien, deren Lehrer er war28).

Einige Worte zur Form: Sämtliche "Sonaten" (wie er sie ebenfalls nannte) sind einsätzig (wurden aber anscheinend paarweise aufgeführt29), wobei die Teile durch Doppelstriche getrennt sind und jeder Teil wiederholt wird. So gut wie immer endet der erste Teil in der Dominante, in der dann auch der zweite Teil beginnt und schließlich zur Tonika zurückführt. Thematisch gesehen, ist der zweite Teil häufig identisch mit dem ersten, jedenfalls basieren die Schlüsse beider Teile fast immer auf denselben Motiven30).

An dieser Stelle muß man Jaques-Gabriel Prod'homme den Tatbestand der unkorrekten Verallgemeinerung vorwerfen, wenn er sagt, Scarlatti habe in seinen "'Essercizi für gravicembalo' (1730) den Typ des Sonatensatzes geschaffen. Zwar komponierte er keine eigentlichen Sonaten, aber seine 'Uebungen' bieten den Aufbau des ersten Sonatensatzes in 2 Teilen mit Reprise (?); der zweite Teil beginnt in der Dominant-Tonart und enthält eine mehr oder weniger bedeutende Durchführung ('developpement')"31).

Natürlich ist es unbestreitbar, daß solche Sonaten existieren, in denen das Thema des Anfangs erst in der Mitte des zweiten Teils nach einem modulatorischen Abschnitt erscheint (vgl. z.B. die von Fischer angeführte Sonate in f-moll, L.187/K.48132)), aber das offensichtliche quantitative Verhältnis solcher Sonaten gegenüber denen mit zwei ähnlichen Teilen spricht eindeutig gegen eine solche Darstellung: "Die Sonaten von Scarlatti als Sonatenform im klass. Sinn zu interpretieren, wäre verfehlt. Ihr Aufbau gliedert sich in zwei klar voneinander geschiedene Tle., deren Gestaltung in der Regel auf das Spannungsverhältnis einer Zweiteiligkeit ausgerichtet ist, so daß keine latente Dreiteiligkeit wirk sam werden kann. Auch gelegentliche (!) durchführungs- und reprisenartig anmutende Gruppierungen berechtigen noch nicht zu dem Terminus Sonatenform" (Kirkpatrick33)). Ich sehe in den Ausführungen Prod'hommes eine Bestätigung der These Newmans, "Die Suche nach der 'Sonatenform' in der Vergangenheit wurde gelegentlich ad absurdum geführt."34).

Mitte des 18. Jahrhunderts kommen wir dann der im zweiten Teil dieses Kapitels noch genauer zu definierenden "Sonatenhauptsatzform" der Wiener Klassik erheblich näher. Zunächst wäre hier Carl Phillip Emanuel Bach (1714-1789) zu nennen, dem man nach Prod'homme "übereinstimmend diese Erfindung (der Sonatenhauptsatz form) zuschreibt, ..."35). Im übrigen ist auch diese Aussage nur bedingt gültig, da in vielen Sonaten Bachs die "Reprise" unvollständig ist oder ganz fehlt36). Desweiteren war er nicht bestrebt, streng einem festgelegten Formenschema zu huldigen37).

Das trifft dann schon eher auf seinen Zeitgenossen Johann Stamitz (1717-1757) zu, neben Franz Xaver Richter (1709-1789) und Ignaz Holzbauer (1711-1783) der wichtigste Repräsentant der sog. "Mannheimer Schule". Aufgrund des dortigen überragenden Orchesters38) liegen seine Kompositionen eher im Bereich der Sinfonie (die aber als "Sonate für Orchester"39) ebenfalls auf derselben Form beruht).

Wenige Jahre später entwickelte sich Wien zur neuen Hochburg der Musik, nicht zuletzt durch das Wirken Joseph Haydns (1732-1809) und Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-179l)40). Rein formell gesehen, stellen sowohl die Klavier- und Kammermusiksonaten als auch die Sinfonien dieser beiden Meister nicht unbedingt etwas Neues dar, viel mehr wird das Schema der Mannheimer und norddeutschen Schule nur perfektioniert und variiert. Ihre Verdienste beziehen sich vor allem auf den Inhalt, mit dem sie diese Form erfüllen.

Sowohl Haydns als auch Mozarts Klaviersonaten sind meist dreisätzig gehalten mit den Tempi schnell-langsam-schnell. Bei ihren Sinfonien handelt es sich größtenteils um viersätzige Werke, in denen das Menuett an die Stelle zwischen dem langsamen Satz und dem Finale kommt, nach Prod'homme ein Merkmal, das noch an die Herkunft von der Suite (bzw. Kammersonate) erinnert41).

Diese (zugegebenermaßen eigentlich unrechtmäßige) Verallgemeinerung ist an dieser Stelle leider nicht zu umgehen, da eine genauere Untersuchung der "Ausnahmen" (die bei den Sonatenwerken Haydns und Mozarts eher die "Regel" sind) viel zu weit führen würde.

Was mir - vor allem im Hinblick auf die folgenden Kapitel - wichtig erscheint, ist die Tatsache der so vielfältigen Ausformungen der Sonate. Mal ist der Kopfsatz in Variationsform geschrieben (Mozarts A-dur-Sonate KV 331, um 1783), mal Rondo-, Quasi-Fantasie-Form (Haydns C-dur Sonate Hob.XVI:48), Haydn schrieb 7 zweisätzige und eine viersätzige Sonate42). Diese Liste ließe sich, auch in bezug auf andere Komponisten, beliebig fortsetzen.

Diese Vielfalt der Gesamtheit der Sonaten nach 1770 spiegelt sich wider in den drei Sonaten des dreizehnjährigen Beethoven (damals noch in Bonn) aus den Jahren 1782-83 (etwa dieselbe Zeit, in der Mozart seine Sonate mit dem Türkischen Marsch schrieb). Der Kopfsatz der ersten Sonate in Es-dur zeigt Ähnlichkeiten mit den Sonaten Scarlattis, was seine Zweiteiligkeit betrifft, nur ist nach dem Auftreten des Hauptthemas nach dem Doppelstrich ein durchführungsartiger Teil eingeschoben, der Satz gerät zur Dreiteiligkeit in der Zweiteiligkeit. Zweiter und dritter Satz erinnern an Haydn - der zweite als Andante (ebenfalls in zwei Teilen, durch Doppelstriche mit Wiederholungen getrennt), der dritte in lebhaf ter Rondoform (6/8-Takt).

In der zweiten Sonate (in f-moll) begegnen wir zum ersten Mal einer langsamen Einleitung vor dem Kopfsatz (in Haydns und Mozarts Sonaten jedenfalls ist mir keine bekannt), ansonsten folgt der Satz ziemlich streng dem damals üblichen Aufbauschema (siehe Kapitel IIb), abgesehen von dem Larghetto-Teil, der vor der Repise ein zweites mal erscheint. Für den zweiten und dritten Satz dieser Sonate gilt weitgehend dasselbe wie für die Es-dur-Sonate (Finale hier im Presto).

Der erste Satz der D-dur-Sonate (Nr.3) ist sehr viel größer angelegt als seine beiden Vorgänger. Hier begegnen uns im Haupt- und Seitensatz mehrere Themen- gruppen, auch die Durchführung hat erheblich größeren Umfang. Im zweiten Satz vereinigt er quasi zwei Formen, ein Menuett mit sechs Variationen. Ein Scherzando (wieder à la Haydn) beendet diese Sonate.

b) Die Lehrbuch-"Sonatenhauptsatzform"

Wenn ich im ersten Teil dieses Kapitels so vorbehaltlos Begriffe wie "Hauptsatz", "Seitensatz" oder "Durchführung" verwendet habe, so ist das insofern nicht ganz korrekt, als daß die theoretische Fixierung der Form der Sonate erst um 1840 vorgenommen wurde43),44) (der Einfachheit halber erschien mir der Gebrauch dieser Termini sinnvoll).

Diese Tatsache erklärt vielleicht die oben erwähnte Vielfalt an Formen vor und während der "Wiener Klassik", die immense Anzahl an sog. "Ausnahmen von der Regel". Der Umstand, daß diese "Regel" aufgrund der Literatur der Jahrzente um 1780 entstand, verdeutlicht weiterhin, warum z.B. die Sonaten Haydns oder Mozarts in höherem Maße dem Lehrbuchschema entsprechen, Beethovens Sonaten dagegen weniger.

Was das nun folgende Lehrbuchschema der "Sonatenform", bzw. der "Sonatenhauptsatzform" betrifft, so gilt dies nicht nur für die hier im Vordergrund stehenden Klaviersonaten, sondern auch für Kammermusik (Trios, Quartette, etc.), Sonaten für Soloinstrumente und Begleitung (meist Klavier), sonstige Solosonaten, Solo- konzerte und insbesondere für die Symphonie (vgl. S.6.). Auch die klassische Ouvertüre ist häufig in Sonatenhauptsatzform gehalten45). Desweiteren stellen die nun folgenden Sätze lediglich eine Zusammenfassung des üblichen Lehrbuchschemas der Sonate dar. Die oben angesprochenen, nicht unwesentlichen "Abweichungen" werden nicht gesondert erwähnt!

Die Sonate in der Zeit der Wiener Klassik (im folgenden beziehe ich mich, wenn nichts anderes dabei steht, auf diese Zeit) besteht aus drei oder vier Sätzen, wobei die Sinfonie meist viersätzig und die Solosonate (auch z.B. das Solokonzert) eher dreisätzig gehalten ist46).

Der erste Satz (Kopfsatz), bisweilen auch der letzte, ist in Sonatenhauptsatzform komponiert (dazu später). Der zweite Satz stellt meist einen Kontrast zum schnellen ersten dar (z.B. Adagio oder Andante) und ist ihm tonartlich verwandt (etwa Dominant-, Subdominant- oder Paralleltonart). Formal handelt es sich meist um Liedformen, die schon in der alten Suite üblich waren47).

Der dritte Satz, soweit vorhanden, ist ein Menuett in der Haupttonart, seit ungefähr 1800 wird das formal verwandte Scherzo bevorzugt48). Auch das Menuett in der Sonate hat seinen Ursprung in der Suite (bzw. der Kammersonate). Der letzte Satz (Finale) ist meist ein Rondo und im Charakter schnell und heiter im Gegensatz zum Kopfsatz, der eher ernst erscheint49).

Die für den Kopfsatz der Sonate charakteristische "Sonatenhauptsatzform" läßt sich ihrerseits in drei (oder vier Teile) gliedern. Erstes Teilstück ist die "Exposition", die, ähnlich der Fuge, die Themen nacheinander vorstellt. Diese umfaßt selbst wieder mehrere Abschnitte. Die Exposition beginnt mit dem "Haupt thema", wobei mehrere Themen auch einen "Hauptsatz" bilden können. Er steht natürlich in der Tonika. Nach einer Überleitung (sie kann entweder auf neuem Material basieren oder das erste Thema fortführen), die in die Dominant-Tonart moduliert (bei Sätzen in Moll in die parallele Durtonart), folgt ein zweites Thema, das "Seitenthema", bzw. der "Seitensatz". Es soll in der Regel gegensätzlich, lyrisch gestaltet sein (Anm.: Gerade dieses Theorem ist heftig umstritten, wie überhaupt das gesamte Schema! Mehr dazu später.). Nach einer weiteren Überleitung (bzw. Fortspinnung) taucht dann eine charakteristische Episode mit Schlußwirkung auf, die "Schlußgruppe" (auch "Epilog" genannt). Die Exposition, der (vor allem in der Sinfonie) auch eine langsame Einleitung vorangehen kann, wird im allgemeinen wiederholt.

In dem nun folgenden Abschnitt, der "Durchführung", wird das in der Exposition vorgestellte Material verarbeitet. Das heißt, es können Motive abgespalten und sequenziert werden, neue Motive können hinzutreten, Verknüpfungen stattfinden, und vieles mehr. Diesbezüglich ist die Form der Durchführung nicht festgelegt. Nur muß sie innerhalb der Verarbeitung von der Dominant-Tonart (mit der die Exposition ja endete), meist über entferntere Tonarten, zur Tonika zurückmodulieren.

Was dann folgt, ist im Prinzip die Wiederholung der Abschnitte der Exposition, nur fehlt hier die Modulation in der ersten Überleitung zur Dominante, folglich steht das zweite Thema und die Schlußgruppe ebenfalls in der Grundtonart. Vor allem in den früheren Sonaten der Klassik wird die Durchführung mit der Reprise wiederholt.

Besonders die groß angelegten Sonaten (vor allem die Sinfonien) haben nach der Reprise noch einen gesonderten Schlußteil, die "Coda", eine Steigerung oder ein fache Fortführung (Erweiterung) der Schlußgruppe aus der Reprise.

Wie bereits oben angedeutet wurde, ist diese eben dargelegte Form des Sonatenhauptsatzes heute ziemlich umstritten. Zwar weist z.B. Leichtentritt in seiner "Formenlehre" darauf hin, daß "Dies Grundschema ... natürlich nur ganz allgemeinhin Gültigkeit" habe50), aber es muß doch Zweifel aufkommen bei der offen sichtlichen Dominanz der Ausnahmen und der Tatsache, daß so wenige Sonaten die sem Schema ganz entsprechen: "stereotype Anlagen begegnen nur in Sonaten von Kleinmeistern ..., doch entsprechen sogar sie(!) nicht dem späteren Lehrbuch konzept der 'Sonatenform'"51).

Fred Ritzel hat in seiner Abhandlung über "Die Entwicklung der 'Sonatenform' im musiktheoretischen Schrifttum des 18. und 19. Jahrhunderts" viel zur Klärung dieser Frage beigetragen.

So beschäftigt er sich beispielsweise mit dem Problem des "allzu eng gefaßten Postulats eines kontrastierenden, meist noch als 'kantabel' charakterisierten zweiten Themas"52) und verweist auf eine Arbeit von William W. Abbott Jr.53), der die harmonische Bedeutung des Seitenthemas statistisch belegen konnte. Er zieht daraus den Schluß, daß "Wenn überhaupt antithetische Spannung herrscht, so in dem Gegensatz von Grund- und Nebentonart in der Exposition, oder allgemein in dem Beharren auf und dem Abweichen von einem harmonischen (!) Zentrum."54)

Dies ist freilich eine verhältnismäßig neue Erkenntnis. Hugo Leichtentritt spricht z.B. in seiner 1911 erstmals erschienenen "Formenlehre" folgendermaßen vom Verhältnis der Themen der Exposition: "Es ist natürlich von Vorteil, wenn diese Themen eine gewisse Gegensätzlichkeit haben; dadurch heben sich die Konturen scharf voneinander ab. Die Art z.B., wie Chopin den ersten Satz seiner Klavierkonzerte anlegt, ist nicht zu empfehlen (!), wegen der zu großen Ähnlichkeit von erstem und zweitem Thema. Die Gefahr der Weitschweifigkeit, Eintönigkeit rückt dann nahe."55)

Auch Newman wies in seinem "Sonaten"-Artikel aus der MGG-Enzyklopädie auf das Mißverhältnis zwischen analytischer Sonatenform-Theorie und der kompositorischen Wirklichkeit hin ("... ein wirkliches Kontrastthema, das möglicherweise (!) das dualistisch-'weibliche' Gegenstück des Eingangsthemas sein kann, wie es durch den späteren Lehrbuch-Begriff der 'Sonatenform' definiert wird, aber nicht sein muß"56)

Selbstverständlich gibt es trotz des oben besprochenen "Mißverhältnisses" genug Werke, die einigermaßen genau mit dem obigen Lehrbuch-Prinzip analysiert werden können, so der erste Satz der im folgenden besprochenen Klaviersonate in f-moll, op.2 Nr.1.

c) Beispiel: Beethovens Klaviersonate f-moll op.2 Nr.1

Daß diese Sonate in den Lehrbüchern und im heutigen Schulunterricht immer wieder gerne analysiert wird, ist auf ihre sehr klare und "formgerechte" Struktur zurückzuführen. Wenn ich nun die Hauptmerkmale hier noch einmal referiere, so geschieht dies erstens, um ein praktisches Beispiel für die oben stehende, reine Theorie zu liefern, und zweitens, da es sich hierbei gewissermaßen um ein "Geschwister-Werk" zu der später zu analysierenden C-dur-Sonate aus demselben Opus handelt und einige Bezüge zwischen den beiden Werken hergestellt werden sollen.

Ich halte mich nun einmal einfach an die Aussagen Leichtentritts:

"Hauptthema in der Tonika". "Beethoven liebt es z.B., sein erstes Sonatenthema in scharf umrissener Zeichnung zu geben, das rhythmische Element darin zu betonen"57) Mit den aufsteigenden Staccato-Arpeggio-Vierteln ist wohl der scharfe Umriß belegt, rhythmisch ist der Abschluß des Motivs, die Punktierung mit den Triolensechzehnteln. "acht- oder sechzehntaktig ausgebaut bis zu einem Ganz- oder Halbschluß"58). In Takt 8 findet mit dem "Seufzer" ein sogar mit Fermate ausgebauter Halbschluß statt. "Überleitungssatz, bald mit Motiven des Hauptthe mas arbeitend, bald ein neues Motiv einführend"59). In strengem vierstimmigen Satz wird das erste Motiv weitergeführt, in Takt 15 begegnet das neue Synkopen Motiv.

"... das zweite Thema jedoch in weicheren, geschmeidigeren Linien ... lyrisch, gesangmäßig"60). Das nun folgende Thema entspringt der Umkehr des ersten, jetzt im Legato. Interessant ist, daß die Tonart As-Dur nur durch den später (Takt 22) erscheindenden Ton c' definiert wird, davor hat das Seitenthema eher Mollcharakter (fes anstelle von f). Von der nun folgenden Fortführung und Steigerung ist merkwürdigerweise weder bei Leichtentritt, noch bei Prod'homme die Rede (es ist jedoch möglich, daß der Begriff "Seitensatz" dieses beinhaltet, andererseits wäre dies unlogisch, da dem "Hauptsatz" die Fortführung bzw. Überleitung folgt). Diese ist hier in zwei Teile gegliedert, Takt 26-32 und Takt 33-40, wobei sich der erste Teil aus der Steigerung einer Achtel-Tonschleife ergibt und der zweite aus zwei langen Achteltonleitern abwärts besteht, mit dem Synkopenmotiv aus der Überleitung als Begleitung.

"Als letztes, Schlußthema ist ein rhythmisch scharf ausgeprägter, jedoch prägnanter und kurzer Gedanke am besten brauchbar"61) "Bezeichnend für den Schlußsatz ist, daß er sich gern geradlinig, direkt entwickelt, ohne viele seitliche Abschweifungen."62). Der Epilog dieser Exposition ist mit seinen acht Takten durchaus knapp gehalten (was jedoch auch auf das 1.Thema zutrifft). Konsequent wird die Punktierung mit halber Note (oder zwei Vierteln) zum ff gesteigert.

Über die "Gesetze" der Durchführung läßt sich Leichtentritt nur wenig aus. Er beschränkt sich auf die oben bereits erwähnten allgemeinen Aussagen, um dann die Durchführung der Eroica von Beethoven genauer zu analysieren. Ich betrachte aus diesem Grund auch nur die wichtigsten Merkmale dieses Teiles.

Das erste Motiv, das der Verarbeitung unterworfen ist, ist das Anfangsmotiv (eigentlich, die ersten beiden Motive, der Aufwärts-Dreiklang und der Quasi Doppelschlag). Es stellt die Einleitung der Durchführung dar63). Den folgenden Abschnitten, welche Funktion sie auch immer haben, ist ein Merkmal gemeinsam: Es wird stets nur ein Motiv verarbeitet, meist sequenziert. Der "Austritt" aus der Durchführung besteht, ebenso wie der "Eintritt" aus Motiven den Hauptthemas, zuvor bereitet ein langer Orgelpunkt auf c die Reprise vor.

Zur Reprise bemerkt Leichtentritt, daß dort "die Modulation zur Dominante wegfällt und demnach die Überleitung vom ersten Thema zum Seitensatz anders sein muß als im ersten Teil."64). Es ist erstaunlich, wie ähnlich diese beiden Über- leitungen dennoch sind (beide enthalten kurze Quintfallsequenzen), diejenige aus dem ersten Teil beginnend in c-moll, die andere in f-moll, d.h. die Takte aus der Exposition müssen ihren Weg zum zweiten Thema über eine Quint plus Parallele suchen, während in der Reprise überhaupt nicht moduliert wird, aber ein solcher Anschein erweckt wird.

Zum Schluß noch ein Wort über die Längenverhältnisse innerhalb dieses Satzes. Der ganze Satz umfaßt mit seinen drei Teilen 152 Takte (er ist somit einer der kürzesten Kopfsätze der 32 Beethoven-Sonaten), aufgeteilt in 48 : 52 : 52 Takte. Alle drei Teile sind also fast exakt gleich lang! Ähnliche Balance findet sich, wenn man das 1.Thema und die Überleitung als eine Einheit nimmt (19 Takte) und mit dem Seitensatz plus Fortführung vergleicht (21 Takte). Der Epilog (8 Takte) nimmt dagegen ein recht geringes Ausmaß an, jedoch sind die einzelnen Themen- gruppen einigermaßen gerecht verteilt (8, 11, 5, 7, 8 und 8 Takte), was den Um fang der Schlußgruppe natürlich relativiert.

Es herrscht hier gewissermaßen "eine Klarheit und Übersichtlichkeit der Archi tektur, wie sie einfacher und edler nicht gedacht werden kann, dabei eine Knapp heit und Sicherheit der Gestaltung, die Selbstzucht und Reife voraussetzt, welche dem Bonner Künstler entschieden noch abgeht."65)

III. Zur Entstehung von Beethovens Klaviersonaten op.2

Der Bonner Künstler, Ludwig van Beethoven, wurde wahrscheinlich am 16. Dezember 1770 in Bonn geboren, jedenfalls wurde er am siebzehnten getauft66). Sein Vater, Johann van Beethoven, war Tenorist an der kurfürstlichen Kapelle und unterrichtete Ludwig schon im frühen Kindesalter im Klavierspiel und auf der Violine, später erhielt er dann Unterricht bei dem Oboisten Pfeiffer und dem Organisten van den Eeden (bei beiden interessanterweise auf dem Klavier). Violine lernte er dann bei einem Verwandten, Franz Georg Rovantini, Orgel bei Koch und Zensen67).

Erst um etwa 1780 bekam Beethoven gründlichen Unterricht bei Christian Gottlieb (Gottlob) Neefe, Nachfolger van Eedens als Hofmusikdirektor. Er führte ihn auch in das Generalbaßspiel und die Komposition ein68),69). Jedoch war Beethoven zu dieser Zeit längst kein Anfänger mehr. Sein Vater ließ bereits 1778 "sein Söhngen von 6(!) Jahren" in Köln auftreten70).

1783 bereits spielte er regelmäßig Orgel in der Frühmesse und Cembalo im kurfürstlichen Orchester71),72). In diesem Jahr erscbienen auch die schon in Kapitel IIa besprochenen drei "Kurfürsten-Sonaten", nach dem Widmungsträger und Dienstherren, Erzbischof Maximilian Friedrich (Franz), benannt73).

Am 7. April 1787 reist Beethoven nach Wien, um Mozart vorzuspielen und erntet nach anfänglicher Distanz doch noch überschwenglichen Lob des Meisters ("Auf den gebt acht, der wird einmal in der Welt von sich reden machen")74).

Nachdem Mozart im Jahre 1791 gestorben war, beabsichtigte Beethoven bei Joseph Haydn in Wien Unterricht zu nehmen und reiste Anfang November 1792 zum zweiten Mal dorthin, finanziell unterstützt durch seinen Gönner Graf Waldstein75).

Wenn nun vielfach die Rede davon ist, Beethoven sei Schüler Haydns gewesen, so müssen dabei zwei Dinge bedacht werden. Erstens behandelte der Unterricht bei diesen nur kontrapunktische Übungen (und nicht "Komposition" als solche), und zweitens wurde er offenbar so nachlässig geführt, daß Beethoven der Lehrzeit bei Haydn bald überdrüssig wurde76).

Aus diesem Grund nahm er Anfang August 1793 heimlich Stunden bei dem damals recht bekannten Komponisten Johann Schenk und setzte ihn bis Ende Mai 1794 fort77). Als Haydn dann im Januar 1794 nach London fuhr, nutzte Beethoven die Gelegenheit, zu Johann Georg Albrechtsberger (1736-1809) zu wechseln und bei Antonio Salieri (1750-1825) Gesangskomposition zu studieren78).

Berühmtheit erlangte Beethoven in Wien zunächst jedoch als Pianist. Nach verschiedenen Konzerten in adeliger Gesellschaft gab er sein erstes öffentliches Konzert in Wien am 29. März 1795 und wurde seither als einer der größten Pianisten seiner Zeit gefeiert79).

Um diese Zeit erschien auch das erste Werk, das Beethoven mit einer Zahl versieht, die drei Klavierquartette op.180). Am 9. März 1796 kündigte dann der Verlag "Artaria" in der "Wiener Zeitung" die Veröffentlichung der drei Klaviersonaten op.2 an, derselbe Verlag, der ein Jahr zuvor die Quartette herausgab81). Der genaue Zeitpunkt der Uraufführung dieses Opus ist nicht bekannt. Fest steht nur, daß sie, wie das damals üblich war, nicht öffentlich82), sondern auf einem privaten "Freitag-Morgenkonzert" des Fürsten Lichnowsky (der Beethoven finanziell zur Seite stand), vorgetragen wurden83).

Und mit diesen drei Klaviersonaten in f-moll, A-dur und C-dur eröffnet Beet hoven, der "exaltierte musikalische Freigeist"84) eine der bedeutendsten Werkreihen der Klaviermusik (es wurde oft das "neue Testament" der Klavierliteratur genannt) - seine 32 Klaviersonaten.

IV. Analvse des Kopfsatzes der Sonate C-dur op.2 Nr.3

Zunächst sollte hier die Frage der Widmung geklärt werden. Denn allzu oft wird der Stil der drei Sonaten op.2 in Verbindung mit dem Widmungsträger, Joseph Haydn gebracht. Daß diese Sonaten durchaus eigenständige Werke sind und sich nicht von einem "späthaydnschen" Stil ableiten lassen, folgt erstens aus der Tatsache, daß Beethoven von Haydn, wie in Kapitel III bemerkt wurde, nur Kontrapunkt lernte. Zweitens manifestiert Beethoven durch die Ablehnung der Widmung "Von seinem Schüler Ludwig van Beethoven seinem Lehrer Joseph Haydn gewidmet"85) seine kompositorische Eigenständigkeit.

Der Stil der gesamten Sonate, besonders des ersten Satzes, wird im allgemeinen als "rauschend, glänzend"86) und "orchestral"87) beschrieben, "Kraft der Gestaltung, ... mitreißender Schwung"88), "Freude am Klavierklang und an der Überwindung technischer Schwierigkeiten"89), "künstlerische Virtuosität und Brillianz"90) wird ihr bescheinigt.

Die Tempobezeichnung "Allegro con brio", die das "Feuer" der Virtuosität also schon von vorneherein voraussetzt, ist "echt beethovenisch". So tragen von seinen frühen Sonaten die Hälfte aller Kopfsätze diese Vorschrift (zum Vergleich: in Haydns 54 Sonaten begegnen wir diesem Ausdruck nur vier mal, in Mozarts Klaviersonaten kommt sie überhaupt nicht vor!).

Noch ein Wort zur Tonart. C-dur, das ist nicht nur die den Akzidentien nach einfachste Tonart, sondern wird in der klassischen Literatur oft für besonders brilliante und virtuose Werke angewandt (vielleicht als Ausgleich für die scheinbare Einfachheit), man denke nur an Chopins erste Etüde, an das erste Klavierkonzert Beethovens, das Klavierkonzert KV 467 von Mozart, die erste Sinfonie von Beethoven oder Webers Klavierkonzert op.ll.

Gleich zu Beginn wird dem Hörer (bzw. Interpret) ein klarer Block, das Motiv des ersten Themas, hingestellt, fein säuberlich von dem nachfolgenden durch eine halbe Pause getrennt:

Takt 1

Jürgen Uhde bezeichnet diese beiden Takte als "eine kleine elektrische Batterie, die das Werk mit Strom versorgt."91). Die harmonische Wendung T-D wird in den folgenden beiden Takten durch die Sequenz in D-T beantwortet. Nach diesem "Einverständnis" beschäftigen sich die folgenden beiden Viertaktgruppen mit diesem Motiv, erst in der Oberstimme des streng vierstimmigen Satzes mit flächiger Begleitung der drei Unterstimmen, dann umgekehrt mit dem Motiv im Baß (vgl. Takte 4-12).

Nachdem diese ersten Zwölf Takte, die offensichtlich erste Formeinheit, im subtilen piano begannen und allenfalls durch (übrigens nicht zu übertreibenden) sforzati in der dynamischen Ruhe gestört werden (die wiederum die motivisch bedingte Unruhe in ihrer Funktion als Gegensatz unterstützen), beginnt nun, sozu sagen aus heiterem Himmel, eine brausende ff-Passage mit C-dur-Arpeggien auf wärts, die dann mit der Sequenz des 2. Viertels aus Takt 13 absteigt:

Takt 13Takt 15

Diese viertaktige Passage wiederholt sich noch einmal (mit kleiner Veränderung bei des absteigenden Teils in der linken Hand) und mündet dann (Dynamik bleibt) in eine Gruppe in der Dominante mit schneller (und schwieriger) 16-tel-Begleitung und einer Oberstimme, deren erstes Motiv an die Spiegelung des Motivs aus dem Anfangstakt erinnern mag, vor allem bei seiner Wiederkehr als verkappter Terzentriller.

Takt 21Takt 23

Diese Passage von zwei mal 2 Takten wird abgeschlossen und komplettiert durch einen G-dur-Lauf und eine 3/4-Pause. Beethoven läßt dem Hörer sozusagen keine Chance, nicht zu begreifen, daß nun eine große Episode beendet ist.

Damit stehen wir aber vor dem ersten formalen Problem. Dem Höreindruck nach kann es sich bei diesen ersten 26 Takten nur um das sog. "erste Thema" der Exposition handeln, jedoch haben wir es nicht, wie etwa in der Sonate f-moll op.2 Nr.1, mit einem Thema und seiner Weiterentwicklung, bzw. Überleitung zu tun, sondern mit drei eindeutig unterscheidbaren Themengruppen, deren Motive jeden falls beim Hören keinerlei Gemeinsamkeiten aufweisen (ungeachtet der Tatsache der mit analytischen Mitteln erkannten Verwandtschaft des Terzentrillers mit dem Motiv der dritten Gruppe und des "Klopfmotivs" der linken Hand aus der zweiten Passage mit dem 4. Viertel des ersten Taktes mit Anschluß).

Es bleibt also nichts anderes übrig, als diesen Abschnitt als "erste Themen-Gruppe" aufzufassen.

Was dann die Forderungen des "zweiten Themas" betrifft, so scheint hier alles zu passen. Kantable Achtellinie, sogar mit Doppelschlag-Verziehrung, Dynamik pi ano, die Begleitung ist schlicht, erinnert an die sog. "Alberti-Bässe". Nur eins ist nicht "in Ordnung": Die Tonart! Nach der spannungsgeladenen ersten Passage und nach dem Halbschluß auf der Dominante, möchte man aufatmen und sich nun auf das singende G-dur-Thema einstellen. Indes erscheint dieses Thema nun in g-moll!

Takt 27

Bis der Hörer bemerkt hat, was da geschehen ist, sind die ersten sechs Takte bereits vergangen und dieselbe Passage erscheint in d-moll, immer noch piano. Darauf erscheint wieder ein jäher Kontrastteil, subito forte, vier Abwärts-Tonleitern mit klopfender Begleitung. In jeweils 2-taktigen Abständen moduliert die Passage von a-moll über g-moll nach D-dur.

Takt 39

Nachdem man sich eigentlich schon damit abgefunden hat, daß das Seitenthema in moll steht (meines Erachtens hat die Passage von Takt 39-44 von der Motivik her Epilog-Charakter), erscheint nun doch noch ein lyrisches Thema in G-dur ab Takt 47 (die zwei vorangehenden Takte enthalten wieder Doppelschlag-Verzierungen), mit der Vorschrift "dolce" und gesanglichen Imitationen im Tenor.

Takt 45

Ich widerspreche an dieser Stelle entschieden der Auffassung Uhdes, das erste Seitenthema sei ein musikalisch artikuliertes "Wohin", es bedeute "Unsicherheit"92). Er belegt es zwar mit seinen chromatischen und modulatorischen Eigenschaften und der labilen Periodizität (zwei mal Sechs Takte im Gegensatz zu den 4-takt-Gruppen des zweiten Seitenthemas). Wer aber so mit den Hörerwartungen des Publikums spielen kann, indem er den formalen Aufbau immer wieder auf Überraschungen (bezüglich des damals gängigen Formschemas) anlegt, der hat gewiß keine Unsicherheit und will sie erst recht nicht vortäuschen!

Der letzte Takt des zweiten Seitenthemas moduliert durch Zufügen der kleinen Septime zum G-dur-Akkord zurück nach C-dur in eine Passage, die wieder aus den Arpeggien der zweiten Gruppe besteht. Diesmal jedoch verharrt die Stelle harmonisch nicht auf C-dur, sondern wie in Takt 39 wird im 2-Takt-Abstand modu liert: C-dur, Dominant-Septakkord auf D, G-dur in Sextakkordstellung. Die Passa ge wird durch zwei Takte zur Achttaktigkeit komplettiert, die die obere Quint des G-dur-Dreiklangs umspielen und in zwei Fortsetzungspassagen (Takt 69-72 und Takt 73-77I93)) münden.

Die erste dieser beiden Fortsetzungen basiert auf einer Sequenz von abwech selnd Oktaven und Quarten (möglicherweise wurden sie aus Takt 7 abgeleitet). Die zweite ist eine Kadenz: G-dur, G übermäßig (Quartsextakkord), e-moll, danach werden drei Oktaven in C, D und G als Pfeiler, bzw. Repräsentanten einer IV-V-I Kadenz hingestellt.

Als ob dies nicht schon Schlußwirkung genug wäre, folgt jetzt erst der eigentliche Epilog. Er beginnt im piano mit folgendem Motiv:

Takt 77, welches Uhde als einen "freien Rücklauf des ursprünglichen Hauptthema-Ansatzes"94) bezeichnet, meiner Ansicht nach zu recht, denn dieses Motiv mag (mir persönlich jedenfalls) nicht so recht zum sonstigen Material passen und seine Schlußwirkung wird ein wenig durch das Frage (Takt 77III-78II) - Antwort (Takt 78III-79I) - Schema beeinträchtigt (man ver gleiche mit dem klaren Schlußgruppenmotiv aus op.2 Nr.1).

Ein weiterer Beleg für diese These ist für mich, daß der unisono-Triller-Teil abgespalten wird (wie am Anfang der Terzen-Triller) und gesteigert wird bis zum Dominant-Septimakkord auf D in Takt 84 (siehe weiter unten).

Beethovens Neigung, die Form bis zur Grenze auszuweiten, zeigt sich auch in den Takten 85 bis 89. Es wird mit ff-Unisono-Oktavbrechungen noch eine Schluß- passage angefügt. Ich schreibe bewußt Takt 89 (und nicht etwa 90), denn die Ok taven stellen offensichtlich einen Einschub in die "originale" Schlußgruppe dar, denn die Tatsache, daß der D7-Akkord in Takt 89 auf Zählzeit "3" fast identisch mit demjenigen in Takt 84 auf "drei" kann kein Zufall sein...

Takt 84

 

Wir sind nun also (endlich) endgültig am Ende der Exposition angekommen, und ich nehme mir die Freiheit, schon jetzt ein kleines Fazit zu ziehen.

Zunächst fällt die klare Gliederung der Taktgruppen auf. Die erste von Takt 1 bis Takt 12 in drei Teilen zu je 4 Takten mit der "elektrischen Batterie". Tonart C-dur. Der folgende Teil (zwei 4-Takter) hat virtuosen Charakter, fortissimo, und steht ebenfalls in C-dur und führt im Schluß zur Dominante. Mit ihr beginnt die dritte Gruppe (Takt 21 bis 26), ebenfalls virtuos.

Die vierte Gruppe steht in g-moll und d-moll (je 6 Takte) und ist gesanglich. Darauf folgt ein modulatorischer Teil, vier virtuose Läufe. Die Takte 45 und 46 leiten die nächste Gruppe ein (Nr.6), 4+4 und 4+2 Takte in G-dur, wieder kanta bel. Gruppe 7: wie Nr.2, diesmal 2-Taktig modulierend. Mit zwei Anhängen (man könnte auch sie als eigene Gruppen sehen) klare Kadenz nach G-dur. Es folgt Gruppe 8 ab Takt 77III mit Einschub eines wiederum virtuosen Teils.

Durch die wertfreie Aufzählung der Themengruppen (d.h. ohne ein festgelegtes Formschema zu suchen) und den Telegramm-Stil erkennt man den "doppelten Boden" dieser Exposition. Genauer gesagt: Jedem "klassischen" Formteil folgt eine virtuose Passage, manche Wirkungen werden auch verdoppelt (z.B. die Kontrast-Wirkung oder die Schlußwirkung).

Setzen wir nun, gewissermaßen rückwirkend, die Formschablone der "Sonatenhauptsatzform" auf, so erscheint das erste Thema bis Takt 12 mit zwei virtuosen Anhängen, das zweite Thema verdoppelt (Takte 27-38 und 47-60), ebenso die "Fortentwicklung" (Takte 61-68 und 69 bis 72) mit Anhang, der Schlußcharakter hat. Diese Schlußwirkung wird dann durch den "echten" Epilog verdoppelt, dieser wie derum seinerseits durch die (natürlich wieder virtuosen) Oktavbrechungen.

Nach dieser Enthüllung der formal "doppelten" Sonate liegt es natürlich nahe, andere Elemente auf ihre Zweideutigkeit hin zu überprüfen.

Joachim Kaiser bezeichnet diese Sonate als die "Erste große Konzert-Sonate Beethovens"95). Was meint er nun damit? Die Form sicherlich nicht, denn dem Kon zert liegt dieselbe Form zugrunde wie der Sonate (s. Kapitel IIb, Seite 8). Was jedoch die Klangstruktur dieser Sonate betrifft, so kommen wir der Frage näher. Jürgen Uhde weist in seinen Betrachtungen auf zahlreiche Stellen hin, die einem Klavierkonzert mit Tutti-Orchesterstellen und Klaviersoh ähneln96).

Zum Beispiel die Passage zwischen den zwei Seitenthemen: Klavier solo mit den Läufen, das Orchester wirft die modulierenden vier- und fünfstimmigen Akkorde ein. Oder die Kadenz ab Takt 73: Das Orchester hat jeweils Einwürfe auf die 2. Zählzeit, der Solist arpeggiert den Akkord in der Pause. Das erklärt auch das langsame Anrollen des Arpeggios (Triolenachtel -> Sechzehntel). Man vergleiche zu diesem Zweck einmal mit Beethovens fünftem Klavierkonzert in Es-dur, Takte 487 bis 493! Nun stellt sich auch die Oktavenstelle des Epiloges als ein Streichertutti mit repetierten Sechzehnteln dar, der Notentext ähnelt einem Klavierauszug, wie Uhde bemerkt97).

Unter diesen eben herausgefundenen Gesichtspunkten setze ich nun meine Analyse mit der Durchführung fort. Sie beginnt in Takt 90 (zweite Klammer auf die dritte Zählzeit) mit dem Motiv des Epiloges. Dieses Motiv wird bis Takt 96 fortgesetzt. Wieder typisch ist, daß Beethoven erst zwei mal das ganze Motiv erklingen läßt und dann viermal nur den ersten Teil sequenziert. Was die Harmonik betrifft, so beginnt der Abschnitt in G-dur, moduliert durch Zufügen der Septime nach c-moll, von dort durch erneutes Zufügen der Septe und Erhöhung der Terz nach f-moll. Ab hier (Takt 94III) steht das Motiv, in B-dur mit Septime (also D7-Akkord zu Es-dur), im forte (vorher dagegen im p - pp ) und steigt, wie in Takt 82f. auf.

Im Vergleich mit der f-moll-Sonate op.2 Nr.1, stellt diese Passage also eben falls die Durchführungs-Einleitung (vgl. Seite 11) dar, hier mit dem Epilog-Mo tiv, dort mit dem Hauptsatz-Motiv.

Der folgende Teil ab Takt 97 ist rein harmonischen Charakters. Im Zwei-Takt- Abstand (wie schon so oft in diesem Satz) wird moduliert, der Baß hält jeweils den Grundakkord aus, über dem in der rechten Hand Akkordbrechungen im ff statt- finden:

Takt 97

Die Wendung, die man dem Habitus nach allenfalls mit der Themengruppe von Takt 13 - 20 vergleichen kann, moduliert von B7 über den verminderten Septimakkord über h (also nur die Veränderung b zu h) nach f-moll in Quartsextstellung, von dort nach Cis7 (!!) - durch enharmonische Verwechslung und Erhöhung des c nach cis - mit Auflösung nach fis-moll (wieder Quartsext-Stellung) und schließlich zum Dominantseptimakkord (Quintsextstellung) über a.

Um die außergewöhnliche "Kühnheit" dieses Teils zu demonstrieren, folgt hier eine schematische Darstellung:

Diagramm Grundton-Fortschreitung (1)

Zum Vergleich ist auf der folgenden Seite das Modulations-Schema des Durch führungskerns der f-moll-Sonate abgedruckt. Man kann deutlich erkennen, daß die Modulation wesentlich gleichmäßiger verläuft, d.h. die Tonartenwechsel erstens nicht so schnell geschehen und zweitens weniger große Entfernungen betragen.

(Durchführungsharmonik Sonate op.2 Nr.1):

Diagramm Grundton-Fortschreitung (2)

Ab Takt 109 tritt dann wieder Beethovens "hintergründiger Humor"98) zum Vorschein. Es treten hier nämlich notengetreu die vier Anfangstakte auf, jetzt allerdings um einen Ganzton nach oben transponiert, also in D-dur (Auflösung des D7-Akkordes in Takt 107f.). Jeder Hörer, der nicht gerade über absolutes Gehör verfügt, wähnt sich demnach an dieser Stelle bereits in der Reprise.

Daß dies keineswegs die Reprise ist, wird einem jäh klar bei der Fortsetzung. Jetzt erst wird das Material des Themas verarbeitet, kraftvoll im ff. Dabei entwickeln sich die beiden Viertel am Schluß des Motivs zum Objekt weiterer Verarbeitung, im zeitlichen Abstand einer Halben und räumlichen Abstand einer kleinen None (!) finden Imitationen statt.

Takt 113

Nun erscheint natürlich die Gruppe von Takt 97-108 in einem ganz anderen Licht: Die "kühne" Harmonik, bzw. Modulation war lediglich ein Mittel, den Hörer aus seinen tonalen Bahnen zu werfen. Die langsam aufsteigenden Bässe99) b,h,c, cis,d unterstützen diese tonale Verschleierung. An dieser Stelle wird auch klar, warum bier von den Motiven der Exposition kein Gebrauch gemacht wird: Dieser Abschnitt, wie auch die sog. "falsche Reprise" soll offenbar gar nicht dem üblichen Durchführungsschema entsprechen. Sie beginnt ja erst in Takt 113!

In den Takten 123ff. findet dann wieder die Weiterverarbeitung des zweiten Teilstückes statt (vgl. Seite 20 oben), nachdem die Passage in Quintschritten von D7 über G7 nach C7 und von dort nach f-moll gelangt ist. Insgesamt kenn zeichnet diesen Teil die große Anzahl der sforzati und das rhythmische Element (Z.B. die Synkopen).

Was dann folgt, kennen wir bereits aus der Sonate op.2 Nr.1, das Stehen auf der Dominante. Auch diese Gruppe besteht wieder aus zwei Teilstücken. Zunächst wird in drei Zweitaktern zwischen Dominante und Doppeldominante gewechselt, das g bleibt als Orgelpunkt liegen. Während in Takt 113 das Hauptsatzmotiv abwärts sequenziert wurde, steigt es hier in jedem zweiten Takt auf. In der zweiten Phrase wird der gesamte G7-Akkord in der linken Hand über vier Takte lang ausgehalten, die rechte spielt dazu, ebenfalls im ff absteigend auf den Stufen des verminderten Dreiklanges über h das Themen-Motiv, hier wieder mit den Sforzati auf jeder zweiten Zählzeit (vgl. Takte 113ff.).

Damit ist die Durchführung beendet, und ich denke, die Ausführungen hierzu konnten die These der zweifachen Form durchaus untermauern. Denn die "falsche Reprise" trennt eindeutig zwei eigenständige Teile, den "harmonischen Teil" (bis Takt 108) und den "kontrapunktischen Teil" (ab Takt 113).

In der Reprise wird dann schon ab dem achten Takt eine entscheidende Änderung vorgenommen. Die überleitenden Triolen im Baß zur dritten Phrase entfallen, die se selbst und ebenso der fortissimo-Ausbruch. Statt dessen wird der Nachsatz der zweiten Phrase (also Takt 7f., bzw. 14Sf.) zu einer Staccato-Oktavenlinie im Baß mit synkopischem Kontrapunkt (auch in Oktaven), diese hingegen gehalten.

Takt 147

Diese vier Takte stehen im piano, beim Rollentausch hebt Beethoven die Spannung ein wenig durch die Vorschrift forte und Akzente im Baß. Diese Passage mündet in die schon bekannt dritte Themengruppe aus der Exposition.

Nach der dreiviertel Pause beginnt das erste Seitenthema dann in c-moll, was angesichts der formalen "Turbulenzen" in der Exposition fast ein wenig zu kon ventionell wirkt. Dieser Eindruck verschärft sich dadurch, daß die folgenden 57 Takte praktisch die um eine Quart nach oben versetzte Wiederholung der Exposition darstellen. Die Änderungen, die Beethoven vornimmt, sind geringfügiger Natur und lassen sich teilweise auf den Klang im Diskant der damaligen Hammerflügel zurückführen (etwa die Änderung ab Takt 199, wo das g''' vermieden wird zugunsten des e''').

Aber auch diese Konsequenz in der Reprise hat ihren Grund. Natürlich ist alles wieder auf den Hörer gemünzt. Er erkennt in der Reprise die alten Teile wieder und erwartet, nachdem in Takt 211 der Epilog begann und sich das Motiv wieder nach oben geschraubt hat, in Takt 218 entweder die letzten Schlußtakte, oder, aufgrund des doch großen Ausmaßes dieses Satzes, eine Coda.

Was die Coda anbelangt so bekommt er diese. Aber auch hier hält Beethoven eine Überraschung bereit (wir sind an solche mittlerweile schon fast gewöhnt):

Anstelle der zu erwartenden C-dur-Harmonie erklingt in vollem Klang ein As-dur Akkord! Die Terzverwandtschaft ist hier weniger aussagekräftig als der abrupte Sprung über 4 Quinten (C-dur - As-dur). Ich persönlich fasse diese Harmonie als "Trugschluss eines Trugschlusses" auf, als Abwandlung des "regulären" Trugschlusses in a-moll (was sich allerdings nicht beweisen läßt). Jedenfalls läßt Beethoven keinen Zweifel daran, daß es sich hier um einen äußerst wichtigen Akkord handelt, denn er figuriert diese Harmonie in absteigenden Achteln über ganze sechs Takte.

In Takt 222 in sehr tiefer Lage angekommen, folgen Auf- und Abwärtsarpeggien in verminderten Septakkorden, die allmählich aufsteigen. Hier haben wir es sogar mit zwei Verkürzungen zu tun, der schon bekannten zeitlichen Kürzung und nun auch der räumlichen Kürzung. Das heißt, während ab Takt 222 die Harmonie alle 2 Takte wechselt, so beschleunigt sich der Wechsel ab Takt 228 auf eintaktigen Ab stand. Dadurch beschleunigt sich auch der Rhythmus von 8 Achteln auf 12 Triolen achtel pro Takt. Die räumliche Kürzung findet einen Takt später (in Takt 229) statt. Während die Harmonie zuvor im Ganztonabstand aufwärts stieg, so folgt die nächste Harmonie ab hier jeweils im Haltonabstand (Baßtöne ab Takt 222: as, b, c, d, e, f, fis, g).

Ganz und gar ungewöhnlich in einem Sonatensatz, wenn auch kein Einzelfall (man vergleiche Mozarts Sonate B-dur KV 333 und Clementis Sonate C-dur op.36 Nr.3) ist die sich nun anschließende Kadenz. Ganz den "Regeln" entsprechend beginnt Takt 232 auf dem Dominantakkord mit Quartsext-Vorhalt und Fermate, danach be ginnt ein figurierter Lauf des "Solo-Klaviers" (in Stichnoten) von g bis zu ei ner Fermate auf e''':

Takt 232

Dann wird der erste Teil des Anfangsmotives umspielt. Bemerkenswert ist, wie aus den ersten vier Sechzehnteln dieses Motives allmählich ein Triller entsteht:

Takr 232

Der anschließende chromatische Lauf nach unten mündet direkt in das Thema des Anfanges ein, das somit zum vierten Mal erscheint. Uhde zeigt hier die verschiedenen Funktionen dieses Themas auf: Anfang, Mittelteil, Wiederkehr und Abschied100).

In der Tat verabschiedet sich Beethoven hier. Noch eine kleine Reminiszenz an den zweiten Durchführungsteil (Takt 237), dann folgen drei Takte mit der Frage:

"Soll ich wirklich?" (siehe pp-Trugschluß mit Generalpause Takt 247f.). Die un widerrufliche Antwort folgt entschieden: in ff-Vierteln werden die Harmonien F-dur (Subdominante), G-dur-Quartsextvorhalt und G-dur akkordisch "eingemeißelt" und die gebrochenen Oktaven aus der Exposition beenden den ersten Satz.

Zum Schluß dieses Kapitels noch ein Wort zur Binnenform der Coda. Zunächst ist schon einmal die Frage strittig, wo sie überhaupt beginnt. Man kann zum Beispiel die As-dur-Passage mit der Kadenz als fantasieartigen Einschub klassifizieren, die Coda beginnt dann erst mit dem Hauptthema in Takt 233. Ich selbst bezeichne bereits die Takte 218ff. als Coda, einfach aus dem Grunde, da hier der themati sche Verlauf aus der Exposition verändert wird. Konsequenterweise müßte man dann allerdings die letzten sechs Takte wieder dem Epilog zuordnen, wobei sich hier die Coda als "Einschub" darstellen würde, was ich jedoch infolge des dadurch entstehenden Paradoxons ("Schluß-Einschub") für zu spitzfindig halte.

Eine einwandfreie Klärung dieser Frage gibt es sicherlich nicht, man kann dem einen oder anderen Glauben schenken. Betrachtet man die Coda jedoch als den Abschnitt von Takt 218 bis zum Schluß, so ergibt sich eine bemerkenswerte Parallele zur Durchführung (und damit ein weiterer Beleg der "Verdopplungs"-These):

Wieder erscheint hier nämlich das Hauptthema in der Mitte zwischen zwei Teilen. Der erste Teil beruht, wie in der Durchführung, lediglich auf harmonischer Wendung ohne Berücksichtigung des vorangegangenen Themenmaterials (freilich ausgenommen die Kadenz).

Erst nach den bekannten vier Takten wird eine Schlußwirkung erzielt (das Motiv aus der Durchführung hat ja hier keinen modulatörischen Charakter mehr), nicht zuletzt durch die als Akkordblöcke hingesetzten Kadenzen in Takt 245 bis 251.

Unter diesem Aspekt erscheint natürlich auch die Frage des Codabeginns irrelevant: Durch die strenge Zweiteilung des Abschnittes nach dem Epilogmotiv (um es einmal neutral auszudrücken) in den "freien, fantasieartigen" und den "strengen, formalen" Teil hat Beethoven hier wieder einmal den Hörer (und Analytiker) durch seinen "doppelten Boden" verwirrt.

V. Analytiker. Kritiker und Pianisten - ein Interpretationsvergleich

Ein häufig anzutreffender Mangel von Untersuchungen dieser Art ist die Tat sache, daß die Analyse des Stückes für sich dasteht, ohne Bezug zur Interpretation. Da aber meines Erachtens gerade diese den praxisbezogenen Anteil an Musik darstellt und Musik ihrerseits nur von der praktischen Aufführung lebt (im Gegensatz etwa zur Literatur, die "gelesen" werden kann, ohne "vorgetragen" werden zu müssen), habe ich bereits im vorangegangenen Kapitel versucht, einige Aspekte der formalen Gestaltung in Beziehung zu den daraus entstehenden Konsequenzen für die Interpretation des Stückes zu setzen.

Da dies sicherlich nicht ausreichend war, soll besagtem Mangel hier endgültig Abhilfe geschaffen werden. Zu diesem Zweck habe ich acht Interpretationen von verschiedenen Pianisten studiert und miteinander verglichen. Weiterhin habe ich Aussagen über diese Sonate und ihre Interpretation gesammelt, sowohl von Musikwissenschaftlern und Kritikern, als auch von ausübenden Pianisten (wobei hier die Übergänge oft fließend sind).

Daß alle diese Personen mannigfaltige Interpretationen dieses Stückes bieten, versteht sich von selbst. Das fängt schon bei der Ausführung der ersten vier Takte an. Volbach beispielsweise bezeichnet die ersten beiden Takte als ein faches, klar modelliertes Motiv"101). Dem wäre eigentlich nichts entgegenzuset zen. Stünde da nicht die Aufnahme Ashkenazys im Weg. Offenbar hält er es für nötig, die beiden Teile dieser ersten Phrase zu verbinden und artikuliert deshalb das zweite Viertel in Takt 2 legato, ja er verlängert es sogar zur Halben (Hörbeispiel 1)! Kempff sucht die Einheit durch fast unmerkliche Verkürzung der halben Pause (Hörbeispiel 2).

Schnabel faßt den zweiten und dritten Takt als eine Einheit auf (aufgrund der identischen Harmonie). Deshalb dürfe der Baß im dritten Takt keinen Akzent er halten, der Interpret müsse sich "sozusagen auf Zehenspitzen einschleichen"102), also zur Dominante leiser werden und zur Tonika lauter. Meines Erachtens unterschlägt er aber damit den rhetorischen Sinn dieser Anfangstakte, das Frage-Antwort-Prinzip (vgl. Seite 16). Um so erstaunter war ich, als ich dann im Nachhinein die Einspielung Schnabels zu hören bekam. Von einem Decrescendo oder leise rem Einsatz in Takt 3 kann ich nichts vernehmen (Hörbeispiel 3).

Das große Problem dieses Satzes liegt aber vor allem in den starken und un mittelbaren Kontrasten, das subito ff in Takt 13, der fast schon erschreckende As-dur-Akkord in Takt 218 und vor allem der extreme Gegensatz vor und nach der Dreiviertelpause in Takt 26.

Alfred Brendel versucht in seiner Aufnahme, die Übergänge fließend zu machen, konkret gesagt, er spielt zum ff-Ausbruch in Takt 13 ein crescendo, vor Takt 26 diminuiert er, zwar wenig, aber doch hörbar. Kempff geht sogar so weit, die Viertelnote g in Takt 26 zur Ganzen Note (!) zu verlängern und setzt zum folgen den Seitenthema nur knapp ab (Hörbeispiele 4 und 5).

Warum aber muß der Gegensatz dieser Gruppen hervorgehoben werden, warum muß die Pause so lang wie möglich sein?

Die Antwort auf die letzte Frage wurde schon in Kapitel IV gegeben: Je länger die Pause, desto mehr kann sich der Hörer auf das zu erwartende G-dur einstellen, desto größer ist der Überraschungs-Effekt des ersten Seitenthemas.

Die Frage des Gegensatzes kann mit der Herkunft dieses g-moll-Themas geklärt werden. Ich habe diesen Aspekt in den Kapiteln III und IV absichtlich beiseite gelassen, da er nur bezüglich der Interpretation relevant ist. Das g-moll-Thema entstammt nämlich einer Komposition, die Beethoven mit fünfzehn Jahren in Bonn schrieb, einem Klavierquartett in C-dur. Der Unterschied besteht darin, daß "der in Opus 2 Nr.3 so abrupt auftauchende Seitensatz ... im Klavierquartett des Fünfzehnjährigen weit organischer"103) erfolgte. "Wichtig ist allein die mögliche Interpretations-Konsequenz aus alledem: diejenigen Pianisten, die sich abmühen, alle offenbaren Unterschiede zwischen der Sprache des fünfzehn- und des fünfundzwanzigjährigen einzuebnen, lassen sowohl den Jüngling wie den jungen Mann im Stich"104). Besser kann man es wohl nicht ausdrücken!

An diesem Beispiel zeigt sich die enorme Wichtigkeit der Musikwissenschaft für den Interpreten. Es ist aber eben nicht die Analyse als solche wichtig, sondern die daraus folgende Erkenntnis für die Interpretation.

Ein weiteres Beispiel: Auf Seite 22 sprach ich den plötzlichen 4-quintigen Harmoniesprung in Takt 218 an. Dieser As-dur-Akkord ist doch immerhin der "Ausbruch" aus dem Schema in ein fast endzeitlich wirkendes "Improvisieren", der gewagte Schritt eines jungen Beethoven, der sich der Wiener Musikwelt als Genie präsentieren will.

Bei Jenö Jando merkt man von alledem nichts. Der As-dur-Akkord erscheint hier, als sei nichts geschehen, als ginge er vollkommen selbstverständlich aus dem bisherigen Verlauf hervor. Da ist kein Triumph über die musikalischen Gesetze zu spüren, kein Wille zur freien Improvisation, die Achtel steigen ab wie in einer Klavierübung zur Akkordbrechung (Hörbeispiel 6).

Gilels dagegen verleiht diesem Akkord Glanz und Fülle, Schnabel setzt vor den Akkord eine spürbare Zäsur, Gelber verlängert ihn, um anschließend in grüblerische Passagen abzugleiten. Richter hat eine andere Lösung gefunden: Er beschleunigt das Epilog-Motiv, spielt auf den Höhepunkt zu und weiß diesem noch eine Steigerung abzugewinnen.

Ein wesentliches Merkmal dieses ersten Satzes ist seine Vielfalt. Darauf wurde schon in Kapitel IV hingewiesen (beispielsweise beim ständigen Wechsel zwischen vituosen, donnernden Passagen und zarter Melodik oder klarer, kurzer Artikula tion). Kaiser bemerkt, kein Interpret komme "mit nur einem einzigen Tonfall alledem bei"105)

Emil Gilels hat in seiner Aufnahme von 1983 diese Vielfalt wunderbar ausgedrückt. Ohne zu übertreiben, hebt er unmißverständlich die Kontaste hervor, die nun einmal den Reiz dieser Sonate ausmachen.

Freilich hat auch die durchgehend "brilliante" Aufnahme von Vladimir Ashkenazy ihren Reiz. Doch wird sie allenfalls dem Virtuosen Beethoven gerecht, nicht aber dem humorvollen und vielseitigen Komponisten. Um mit den Worten Edwin Fi schers zu sprechen: "... es wäre falsch, ... in der Virtuosität den Hauptzweck zu sehen. Das Musikalisch-Künstlerische ist doch der Körper, und die Technik nur das Kleid."106)

Was gerade den Humor Beethovens betrifft, so zeigt sich dieser ja ganz beson ders in der "falschen Reprise" in Takt 109. Im Vergleich zu den anderen genann ten Stellen bietet sie jedoch ein Problem, das nicht so allgemein gelöst werden kann. Auf den Punkt gebracht: Beethovens Absicht ist es eindeutig, dem Hörer weiszumachen, er befände sich in der Reprise, um anschließend wieder kraftvoll in die Durchführung zu fallen. Aber sollten diese vier Takte langsamer gespielt werden sollen sie leiser erklingen, soll das Calando direkt in das Hauptthema münden oder sollte davor eine Zäsur stattfinden? Wie lange soll die Pause in Takt 112 gehalten werden?

Schnabel z.B. ritardiert vor der Reprise und setzt zusätzlich vor sie noch eine dicke Zäsur (Hörbeispiel 7). Andere spielen die Passage fast ganz im Verlauf - so z.B. Richter (Hörbeispiel 8) - und knüpfen damit an die Reprisentech nik Mozarts an, bei dem diese oft ganz unvermittelt erscheinen.

Nur besteht meiner Ansicht nach der feine Unterschied darin, daß der Überra schungsef fekt bei Mozart daran liegt, daß eine unscheinbare Passage gerade die Reprise ist, bei Beethoven soll es eine Reprise sein und ist demnach eher gewichtig zu spielen (gewichtig hier nicht im dynamischen Sinne, sondern hervorgehoben, durch Verlangsamung oder humorvolle Rhetorik).

Enorme Schwierigkeiten bietet auch das auf den ersten Blick so "harmlose", zweite Seitenthema (Takte 47-60). Man kann nämlich auf dem Papier wunderbar behaupten, die linke Hand (der Tenor) imitiere dort die Melodie. Rein praktisch hat aber jede Phrase ihren Beginn und ihr Ziel, welche beide gebührend zur Gel tung gebracht werden wollen. Dies ist jedoch kaum zu bewerkstelligen, da z.B. in Takt 49 der Zielton der Imitation (das c') mit dem Beginn der Melodie in der rechten Hand (dem fis') zusammenfällt.

Svjatoslav Richter läßt hier die Linke völlig zugunsten der Melodie zurücktreten, was sicherlich genauso richtig ist wie Kempffs Lösung, den Anfangston in der rechten Hand zurückzunehmen und innerhalb der Phrase zum Zielton hin zu crescendieren.

Es ist in dieser Sonate, wie überhaupt, sehr schwierig, ja unmöglich zu be haupten, die eine oder andere Interpretation sei "die Richtige", wie man auch nicht völlig objektiv eine Analyse dieses höchst komplexen Werkes vornehmen kann (siehe Frage nach dem Coda-Beginn oder Seitenthemen). Wohl aber kann man eine Wertung im Hinblick auf Einzelaspekte vornehmen. Diese Methode hat leider den Nachteil, daß man allzu leicht vom Kleinen auf das Ganze schließt. Denn formale Gestaltung ist nicht immer das Höchste der Interpretation. Gerade bei dieser So nate spielt doch ein nicht unbeträchtlicher Teil an Technik eine Rolle (nicht umsonst setzte Richter diese Sonate an den Beginn seines New Yorker Debüts, mit welchem er sich erstmals dem Westen als der Supertechniker und anspruchsvolle Musiker präsentieren wollte, wie Beethoven seinerzeit).

"Form" ist sicherlich ein wichtiger Aspekt für die Interpretation eines Werkes, aber es ist keine conditio sine qua non. Kann man den spröden Klang Jandos überhören, wenn er sich nach virtuosem Feuerwerk dem zarten g-moll-Thema zuwendet?

Oder wollte man dem großen Beethoven-Interpreten Kempff vorwerfen, er habe die Absicht Beethovens nicht erkannt, weil er die Kontraste einebnet? Immerhin ist diese Aufnahme ein Dokument eines der feinnervigsten Interpreten unserer Zeit.

Worauf es letztenendes ankommt, ist, daß der Zuhörer von dem Reiz dieser Sonate gefangen wird, sei es durch das Hervorheben der außergewöhnlichen Form, sei es durch die brilliante Technik oder die strahlende Harmonik. Dies zu bewerten, ist nicht die Aufgabe eines Kritikers oder Wissenschaftlers, das muß jeder für sich selber herausfinden, der sich im Konzert oder Zuhause auf dieses Werk ein läßt. Für mich steht dabei eines fest: er wird dafür reichlich belohnt werden!

VI. Literaturverzeichnis

Badura-Skoda, Paul; Demus, Jörg, Die Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven, F.A. Brockhaus, Wiesbaden 1974.

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Kaiser, Joachim, Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten, S.Fischer, Frankfurt 1975.

Kempff, Wilhelm, Text zu den CD's ,"Wilhelm Kempff-sämtliche Beethoven-Klaviersonaten" (siehe Aufnahmen-Verzeichnis).

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Kümmerling, Harald, Artikel "Die Suite im Barock", in: Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 12, Deutscher Taschenbuch-Verlag und Bärenreiter-Verlag, München 1989.

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Wolff, Konrad, Interpretation auf dem Klavier, 2. Auflage, R. Piper GmbH, München 1987.

VII. Verzeichnis der untersuchten Einspielungen

Pianist: Tonträger Label, Bestellnummer:
Ashkenazy, Vladimir MC DECCA, 4.42158 CX
Brendel, Alfred Platte VOX, VXDS 102 (?)
Gelber, Bruno Leonardo Platte EMI, SME 81 109
Gilels, Emil Platte Deutsche Grammophon, 2532 078
Jando, Jenö CD Naxos, 8 550150
Kempff, Wilhelm CD Deutsche Grammophon, 429 306-2
Richter, Svjatoslav CD Eurodisc (Melodia), GD 69081
Schnabel, Artur Platte Seraphim, 6063/6 (?)

Fußnoten

1) William S. Newman, Artikel "Sonate", in: Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Bd.12, Spalte 871.

2) Jacques-Gabriel Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, Wiesbaden 1948, S.7f.

3) Hier darf natürlich die berühmte Definition des Begriffes "Sonate" von Michael Praetorius nicht fehlen: "Sonata a sonando, wird also genennet, daß es nicht mit Menschen Stimme, sondern allein mit Instrumenten, wie die Canzonen, musicirt wird;" (Syntagma Musici Tomus Tertius, 1619).

4) Übersetzung etwa: "...mit jedem Instrumente zu spielen"

5) Hans Fischer, Die Sonate, in: Musikalische Formen in historischen Reihen, Bd.18, Berlin (Datum unbek.), S.5.

6) Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.8.

7) Fischer, Die Sonate, a.a.O., S.4.

8) Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.8.

9) Harald Kümmerling, Artikel "Die Suite im Barock", in: MGG, Bd.12, Sp.1717.

10) Kümmerling, ebda. Sp.1719.

11) B. Kothe, Rudolph Freiherrn Prochazka, Abriss der allgemeinen Musikgeschichte (11. Auflage), Leipzig 1919, S.183.

12) Newman, Artikel "Sonate", a.a.O., Sp.872.

13) Kothe, Prochazka, Abriss der allg. Musikgeschichte, a.a.O., S.184.

14) Ulrich Michels, dtv-Atlas zur Musik, Bd.l, München 1991, S.149.

15) Fischer, Die Sonate, a.a.O., S.9.

16) Kothe, Prochazka, Abriss der allg. Musikgeschichte, a.a.O., S.184.

17) Fischer, Die Sonate, a.a.O., S.9.

18) Fischer, ebda., S.9.

19) Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.10.

20) Fischer, Die Sonate, a.a.O. S.9.

21) Andreas Liess, Artikel "Biber", in: MGG, Bd.1, Sp.1828f. u. 1829f.

22) Fischer, Die Sonate, a.a.O., S.13.

23) Newman, Artikel "Sonate", a.a.O., Sp.874.

24) Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.11.

25) Fischer, Die Sonate, a.a.O., S.13.

26) Hanns Neupert, Artikel "Geschichte des Klaviers von 1709 bis um 1850", in: MGG, Bd.7, Sp.1101.

27) Friedrich Wilhelm Riedel, Artikel "Klavier" (I. Zum Begriff), in: MGG, Bd.7, Sp.1092.

28) Uwe Kraemer, Text zur CD "Horowitz-Scarlatti" (CBS Masterworks)

29) Jürgen Uhde, Beethovens Klaviermusik, Bd.2, Reclam, S.15.

30) Ralph Kirkpatrick, Artikel "Domenico Scarlatti", in: MGG, Bd.11, Sp.1515f.

31) Prod' homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.l0f.

32) Fischer, Die Sonate, a.a.O., S.13 u. 16.

33) Kirkpatrick, Artikel "Domenico Scarlatti", a.a.O., Sp.1516.

34) Newman, Artikel "Sonate", a.a.O., Sp.870.

35) Prod' homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.15.

36) Fischer, Die Sonate, a.a.O., S.21.

37) Ernst Fritz Schmid, Artikel "C.Ph.E. Bach", in: MMG, Bd.l, Sp.937.

38) Peter Gradenwitz, Artikel "Johann Stamitz", in: MMG, Bd.12, Sp.1154.

39) Michels, dtv-Atlas zur Musik, a.a.O., S.149.

40) Alfred Orel, Artikel "Wien", in: MMG, Bd.14, Sp.610.

41) Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.11.

42) Prod'homme, ebda., 8.15.

43) Newman, Artikel "Sonate", a.a.O., Sp.897.

44) Uhde, Beethovens Klaviermusik, a.a.O., S.15.

45) Hugo Leichtentritt, Musikalische Formenlehre, Leipzig 1920, S.127.

46) Michels, dtv-Atlas zur Musik, a.a.O, S.149.

47) Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.19.

48) Newmann, Artikel "Sonate", a.a.O., Sp.895.

49) Kothe, Prochazka, Abriss der allg. Musikgeschichte, a.a.O., S.219.

50) Leichtentritt, Musikalische Formenlehre, a.a.O., S.129.

51) Newman, Artikel "Sonate", a.a.O., Sp.891.

52) Fred Ritzel, Die Entwicklung der "Sonatenform" im musiktheoretischen Schrifttum des 18. und 19. Jahrhunderts, Rh. Neue Musikgeschichtliche Forschungen, Bd.1, Wiesbaden 1974, S.7.

53) (William W. Abbott, Certain aspect of the sonata-allegro form in piano sona tas of the eighteenth and nineteenth centuries, Diss. Indiana Univ. 1956)

54) Ritzel, Die Entwicklung der "Sonatenform" ..., a.a.O., S.102.

55) Leichtentritt, Musikalische Formenlehre, a.a.O., S.129.

56) Newman, Artikel "Sonate", a.a.O., Sp.895.

57) Leichtentritt, Musikalische Formenlehre, a.a.O., S.129.

58) Leichtentritt, ebda., S.135.

59) Leichtentritt, ebda., S.135.

60) Leichtentritt, ebda., S.129.

61) Leichtentritt, ebda., S.129.

62) Leichtentritt, ebda., S.138.

63) Uhde, Beethovens Klaviermusik, a.a.O., S.30.

64) Leichtentritt, Musikalische Formenlehre, a.a.O., S.156.

65) Fritz Volbach, Erläuterungen zu den Klaviersonaten Beethovens, Köln 1924, S.26.

66) Joseph Schmidt-Görg, Artikel "Beethoven", in: MGG, Bd.l, Sp.1509.

67) Schmidt-Görg, ebda., Sp.1513.

68) Schmidt-Görg, ebda., Sp.1513.

69) Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.24.

70) zit. nach Prod'homme, ebda., 5.24.

71) Schmidt-Görg, Artikel "Beethoven", a.a.O., Sp.1514.

72) Hans Rutz, Beethoven - Dokumente seines Lebens und Schaffens, München 1950, S.15.

73) Rutz, ebda., S.18.

74) Rutz, ebda., S.20.

75) Rutz, ebda., S.24f.

76) Rutz, ebda., S.28.

77) Rutz, Beethoven - Dokumente ..., a.a.O., S.28f. u. 32f.

78) Schmidt-Görg, Artikel "Beethoven", a.a.O., Sp.1517.

79) Schmidt-Görg, ebda., Sp.1518.

80) Schmidt-Görg, ebda., Sp.1518.

81) Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.39.

82) Newman, Artikel "Sonate", a.a.O., Sp.885.

83) Schmidt-Görg, Artikel "Beethoven", a.a.O., Sp.1518.

84) zit. nach Prod'homme, Die Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.36.

85) Edwin Fischer, Ludwig van Beethovens Klaviersonaten, Wiesbaden 1956, S.l4f.

86) Volbach, Erläuterungen zu den Klaviersonaten Beethovens, a.a.O., S.41.

87) Uhde, Beethovens Klaviermusik, Bd.2, a.a.O., S.73.

88) Wilhelm Kempff, Text zu den CD's "Wilhelm Kempff-sämtliche Beethoven-Klaviersonaten", S.27.

89) Paul Badura Skoda, Jörg Demus, Die Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven, Wiesbaden 1974, S.31.

90) Fischer, Ludwig van Beethovens Klaviersonaten, a.a.O., S.22.

91) Uhde, Beethovens Klaviermusik, Bd.2, a.a.O., S.77.

92) Uhde, Beethovens Klaviermusik, Bd.2, a.a.O., S.81f.

93) Anm.: Die römischen Ziffern hinter Taktzahlen bezeichnen Zählzeiten.

94) Uhde, Beethovens Klaviermusik, Bd.2, a.a.O., S.78.

95) Joachim Kaiser, Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten, Frank furt 1975, s.66.

96) Ubde, Beethovens Klaviermusik, Bd.2, a.a.O., S.73ff.

97) Uhde, ebda., S.74.

98) Uhde, Beethovens Klaviermusik, Bd.2, a.a.O., S.83.

99) Uhde, ebda., S.83.

100) Uhde, Beethovens Klaviermusik, Bd.2, a.a.O., S.85.

101) Volbach, Erläuterungen zu den Klaviersonaten Beethovens, a.a.O.1 S.41.

102) Konrad Wolff, Interpretation auf dem Klavier, München 1987, 8.51.

103) Kaiser, Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten, a.a.O., 8.71.

104) Kaiser, ebda., 8.72.

105) Kaiser, ebda., 8.72.

106) Fischer, Ludwig van Beethovens Klaviersonaten, a.a.O., 8.22.